Schlitzwand
Inhaltsverzeichnis
1. Schlitzwände Grundlagen
Als eine Variante der Ortbetonwände stehen Schlitzwände zur Verfügung. Schlitzwände stellen einen verformungsarmen Verbau dar, der aufgrund ihrer großen Biegesteifigkeit in der Lage ist, große Horizontallasten aufzunehmen. In bestimmten Fällen können sie auch Vertikallasten weiterleiten, wenn sie statisch in das Tragwerk eingebunden werden. Schlitzwände ermöglichen eine sichere Baugrubenumfassung, verhindern das Nachrutschen von Bodenmaterial und können – je nach Ausführung – auch als Dichtwände gegen Grundwasser wirken.
Schlitzwände finden Anwendung in der Baugrubensicherung, im Tunnelbau, bei der Errichtung von Tiefgaragen und Hochhäusern sowie bei Infrastrukturprojekten wie U-Bahn-Stationen und Brückenfundamenten. In vielen Fällen werden Schlitzwände auch als endgültige Baugrubenwände belassen. Ihre hohe Stabilität und geringe Verformung machen sie besonders geeignet für Projekte in beengten städtischen Verhältnissen. Reicht die Steifigkeit nicht aus, so können auch Anker zur Erhöhung der Tragfähigkeit verwendet werden.

1.1 Hauptanwendungsgebiete von Schlitzwänden
Tiefbauprojekte
Tiefgaragen: Schlitzwände sind ideal für den Bau von Tiefgaragen, da sie eine hohe Stabilität und geringe Verformungen bieten, was besonders in engen städtischen Gebieten wichtig ist.
U-Bahn-Schächte: Aufgrund ihrer Fähigkeit, große Lasten zu tragen und die Verformung zu minimieren, werden Schlitzwände häufig beim Bau von U-Bahn-Schächten verwendet.
Fundamente von Hochhäusern: Beim Bau von Hochhäusern werden Schlitzwände häufig zur Sicherung tiefer Baugruben eingesetzt. Sie ermöglichen eine standsichere Ausführung unter beengten Verhältnissen.
Baugrubensicherung
Tiefe Baugruben: Bei Baugruben mit großer Tiefe und nahegelegenen bestehenden Strukturen sind Schlitzwände die bevorzugte Wahl, um die Baugrube sicher zu sichern und Verformungen zu minimieren.
Erschütterungsempfindliche Bereiche: In Gebieten, in denen Erschütterungen minimiert werden müssen, wie in der Nähe von historischen oder sensiblen Gebäuden, bieten Schlitzwände eine erschütterungsarme Bauweise.
Dichtwände
Grundwasserabdichtung: Schlitzwände können als Dichtwände eingesetzt werden, um das Eindringen von Grundwasser in Baugruben oder unterirdische Bauwerke zu verhindern. Dies ist besonders in wasserreichen Gebieten von großer Bedeutung.
Stützwände
Hangstabilisierung: In bestimmten Fällen, etwa bei Geländesprüngen im urbanen Bereich, können Schlitzwände auch als dauerhafte Stützwände eingesetzt werden.
Infrastrukturbau
Tunnelbau: Beim Bau von Tunneln werden Schlitzwände zur Sicherung der Baugrube und zur Unterstützung der Tunnelwände eingesetzt.
Brückenfundamente: Für Brückenfundamente, die in schwierigen Bodenverhältnissen errichtet werden, bieten Schlitzwände eine stabile und sichere Lösung.
1.2 Vorteile einer Schlitzwand
Eine Schlitzwand bietet zahlreiche Vorteile, darunter ihre hohe Biegesteifigkeit, die Fähigkeit zur Aufnahme von großen Horizontallasten, ihre geringe Verformung sowie die erschütterungsarme Herstellung. Diese Eigenschaften machen sie ideal für tiefe Baugruben in dicht bebauten Gebieten.
Die Hauptvorteile einer Schlitzwand sind:
- Hohe Biegesteifigkeit: Schlitzwände bestehen in der Regel aus Stahlbeton und besitzen eine sehr hohe Biegesteifigkeit. Dadurch können sie große Horizontallasten aus Erd- und Wasserdruck sicher aufnehmen und abtragen. Sie sind daher besonders für tiefe Baugruben geeignet.
- Geringe Verformungen: Aufgrund ihrer massiven Bauweise und der Einbindung in tragfähige Bodenschichten weisen Schlitzwände ein sehr steifes Verformungsverhalten auf. Dies ist insbesondere in städtischen Gebieten wichtig, um Schäden an angrenzenden Bauwerken oder Leitungen zu vermeiden.
- Erschütterungsarme Herstellung: Die Herstellung von Schlitzwänden erfolgt durch Fräsen oder Greifen in einer Stützflüssigkeit (meist Bentonitsuspension). Im Vergleich zu Rammverfahren entstehen dabei nur geringe Erschütterungen und Lärmemissionen. Das macht sie ideal für Bauvorhaben in der Nähe empfindlicher oder denkmalgeschützter Gebäude.
- Flexibilität im Einsatz: Schlitzwände werden als Ortbetonwände hergestellt und können an unterschiedliche Boden- und Grundwasserverhältnisse angepasst werden. Durch variable Wanddicken und Einbindetiefen lassen sie sich optimal auf das jeweilige Bauprojekt abstimmen.
- Große Einbindetiefe: Schlitzwände können sehr tief in den Baugrund eingebracht und in tragfähige Bodenschichten oder den Fels eingebunden werden. Dadurch sind sie besonders geeignet für Bauprojekte mit hohen Anforderungen an Standsicherheit und Dichtigkeit.
- Verwendung von Ankern: Wenn die Biegesteifigkeit einer frei eingespannten Schlitzwand nicht ausreicht, können Rückverankerungen (z. B. Verpressanker) eingebaut werden. Dadurch lässt sich die Standsicherheit erhöhen und die Wandverformung reduzieren. Dies ist gängige Praxis bei hohen Baugruben oder beengten innerstädtischen Bauverhältnissen.
2. Herstellung einer Schlitzwand
Eine Schlitzwand ist eine Wand, die aus Stahlbeton in einem mit thixotroper Flüssigkeit gestützten Schlitz im Boden nach dem Kontraktorverfahren hergestellt wird. In diesem Fall spricht man von einer Ortbeton-Schlitzwand. Falls Fertigteile in die stützende Flüssigkeit eingestellt werden, spricht man von einer Fertigteil-Schlitzwand. In der DIN EN 1538:2015-10, „Ausführung von Arbeiten im Spezialtiefbau – Schlitzwände“ ist die Herstellung beschrieben. Grundsätzlich kann zwischen dem Zweiphasen-Verfahren und dem Einphasen-Verfahren unterschieden werden:
Im Zweiphasen-Verfahren wird eine Ortbetonschlitzwand erstellt, bei der der Bodenaushub im Schutze einer nicht selbst erhärtenden Stützflüssigkeit erfolgt. Diese Stützflüssigkeit (1. Phase) besteht in der Regel aus Wasser und einer Ton-Suspension (Bentonit), wobei in bestimmten Fällen eine Polymer-Flüssigkeit oder andere Fertigmischungen aus Bentonit und Polymer-Suspension beigegeben werden.
Nach Erreichen der Endtiefe und Einsetzen der Abschalelemente sowie nach Einsetzen eines Bewehrungskorbs wird die Stützflüssigkeit durch den im Kontraktorverfahren eingebrachten Beton (2. Phase) von unten nach oben verdrängt und ausgetauscht. Dieses Verfahren wird für alle bewehrten Wände, jedoch auch für nicht bewehrte reine Dichtungswände eingesetzt. Der Aushub der Schlitzwand kann sowohl mit Hilfe von Schlitzwandgreifern als auch mit Hilfe von Schlitzwandfräsen erfolgen.
Bei dem Einphasen-Verfahren wird als Stützflüssigkeit eine verzögernd erhärtende Suspension auf Zementbasis mit möglichen Beimischungen von Ton (Bentonit), Flugaschen, Steinmehl u.ä. verwendet. Die Suspension wird nicht mehr ausgetauscht. Bewehrte Schlitzwände können im Einphasen-Verfahren nicht mehr als Ortbetonwände ausgeführt werden, sondern werden durch das Einsetzen von Stahlbetonfertigteilen in die erhärtende Suspension hergestellt (Kombinationsverfahren). Üblicherweise wird dieses Verfahren bei Dichtungsschlitzwänden eingesetzt.
Zur Herstellung des Schlitzes mit Führung durch Leitwände an der Geländeoberkante kommen Schlitzwandfräsen und Schlitzwandgreifer zum Einsatz, die in den folgenden Bildern gezeigt werden.


3. Statische Systeme
Zur Berechnung von Schnitt- und Zustandsgrößen werden statische Systeme verwendet, die von der gewählten Einbindetiefe und der Verankerung bzw. Aussteifung in einer oder mehreren Ebenen abhängen:
- nicht gestützte, in den Boden eingespannte Wand
- einfach / mehrfach gestützte, im Boden frei aufgelagerte Wand
- einfach / mehrfach gestützte, in den Boden eingespannte Wand
- einfach / mehrfach gestützte Wand mit einem Zwischeneinspanngrad
Die Berechnung von Schlitzwänden kann nach mehreren Verfahren durchgeführt werden. Die klassischen Verfahren beziehen sich dabei auf die Erddrucktheorie und variieren somit in Abhängigkeit vom statischen System bezüglich Größe und Verteilung des Erddrucks und der Reaktionskräfte im Boden. Grundsysteme sind dabei ein- oder mehrfach gestützte Balken, die im Boden frei aufgelagert bzw. eingespannt sind. Zwischeneinspanngrade sind auch möglich. Nähere Hinweise zu den Berechnungsverfahren, zu dem Ansatz des Erddrucks etc. werden u.a. in der EAB gegeben. Rechnergestützte Verfahren ermöglichen auch die Berücksichtigung einer Bettung des Balkens.
Für eine Einspannwirkung im Baugrund ist eine Verdrehung der Wand um einen tiefliegenden Drehpunkt notwendig. Dieser Drehpunkt liegt etwas oberhalb des Wandfußpunktes. Darunter entstehen Verformungen, die zur Erdseite gerichtet sind und dort einen rückdrehenden passiven Erddruck mobilisieren. Zur vereinfachten Berechnung wird am theoretischen Drehpunkt die BLUM’sche Ersatzkraft C angesetzt, die den Erdwiderstand unterhalb des Drehpunktes ersetzt und zusätzlich den vereinfacht angenommenen Erdwiderstand auf der Baugrubenseite korrigiert. Zusammen mit der Resultierenden des Erdwiderstands bildet diese Ersatzkraft ein Kräftepaar, das die Einspannung des Spundwandfußes darstellt.
4. Notwenige statische und erdstatische Nachweise
Maßgebend für die Berechnung, Bemessung und Konstruktion von Baugrubenumschließungen sind die „Empfehlungen des Arbeitskreises Baugruben“, EAB. Für Schlitzwände sind die folgenden, in der EAB, in DIN EN 1997-1 und in DIN 1054 genannten Einzelnachweise für die genannten Grenzzustände notwendig. Die Stahlbetonteile müssen nach geltendem Normenwerk als bewehrte Bauteile bemessen werden. Die Nachweise können mit dem Programm GGU-RETAIN durchgeführt werden:
4.1 Materialversagen von Bauteilen (STR)
Es ist nachzuweisen, dass bei den eingesetzten Materialien deren Widerstände größer sind als die Bemessungsschnittgrößen. Dies gilt für die Schlitzwand selbst, die Verankerungs- bzw. Aussteifungssysteme und das Ankermaterial.
4.2 Gemeinsames Versagen des Baugrunds und des Bauteils (GEO-2):
- „Versagen bodengestützter Wände auf Drehung“: Die statisch erforderliche Auflagerreaktion Bh im Boden muss durch den mobilisierten Erdwiderstand Eph über die Einbindetiefe t der Verbauwand aufgenommen werden.
- „Versagen bodengestützter Wände durch Vertikalbewegung“: Des Weiteren muss nachgewiesen werden, dass die in das Stützbauwerk eingeleiteten Vertikalkräfte im Boden abgetragen werden können.
- „Nachweis der Vertikalkomponente des mobilisierten Erdwiderstands“: Es muss nachgewiesen werden, dass die resultierende Vertikalkomponente der nach unten gerichteten charakteristischen Einwirkungen größer ist als die nach oben gerichtete vertikale charakteristische Bodenreaktion .
- Der „Nachweis gegen Herausziehen von Verpressankern bzw. Ankerplatten“ aus dem sie umgebenden Boden ist zu führen.
- Für den Fall einer Verankerung mit Hilfe von Ankerplatten ist der „Nachweis gegen den Aufbruch des Verankerungsbodens“ zu führen.
- Der „Nachweis der tiefen Gleitfuge“ dient der Bestimmung der notwendigen Ankerlänge.
4.3 Hydraulischer Grundbruch (HYD)
Die Nachweise gegen hydraulischen Grundbruch ist in Abhängigkeit von Boden- und Grundwasserverhältnissen zu führen.
4.4 Nachgeben des Stützbauwerks (SLS)
Hierunter ist der Nachweis gegen ein Nachgeben der Baugrubenwand gemeint, so dass es zu ungünstigen Verformungen des Bauwerks kommt oder dass das Erscheinungsbild, die uneingeschränkte Nutzung des Bauwerks, der angrenzenden Bauwerke usw. beeinträchtigt werden. Grenzwerte für Verformungen bzw. Durchbiegungen werden projektbezogen festgelegt und sind nicht übergeordnet definiert.
Sie wollen direkt mit der Bemessung von Schlitzwänden loslegen? Mit einem "Mausklick" kommen Sie zu den Lizenzvarianten der Softwarelösung: GGU-RETAIN.
4.5 Gesamtstandsicherheit (GEO-3)
Der Nachweis der Gesamtstandsicherheit ist in Analogie zum Geländebruch zu führen. Dieser Nachweis kann mit dem Programm GGU-STABILITY geführt werden.
In der Regel gehören Baugrubenverbauten zu der Geotechnischen Kategorie GK 2. Komplexere Bedingungen rechtfertigen jedoch eine Einstufung in die Geotechnische Kategorie GK 3. Hierzu gehören innerstädtische Baugruben mit anstehender setzungsempfindlicher Bebauung, geneigte Verpressanker, die als Daueranker verwendet werden sollen und Vorhandensein von gespanntem Grundwasser.
5. Innere und äußere Standsicherheitsnachweise von Schlitzwandlamellen
Der offene Schlitz wird mit einer Stützflüssigkeit gefüllt. In Anlehnung an die geltende Norm DIN 4126 in der aktuellen Fassung steht zur Stützung des Bodens an einer suspensionsgestützten Erdwand nur die Differenz zwischen der hydrostatischen Druckkraft der Stützflüssigkeit im Schlitz SH und der des Grundwassers W im Boden zur Verfügung. Für eine flüssigkeitsgestützte Erdwand sind daher nach DIN 4126 folgende Standsicherheitsnachweise zu führen:
- Sicherheit gegen Zutritt von Grundwasser in den Schlitz:
- Sicherheit gegen Unterschreiten des statisch erforderlichen Flüssigkeitsspiegels
- Sicherheit gegen das Abgleiten von Einzelkörnern und Korngruppen (innere Sicherheit)
- Sicherheit gegen Abgleiten eines Bodenkörpers in den Schlitz (äußere Sicherheit)
6. Berechnungsbeispiel, Video: statische und erdstatische Nachweise einer Schlitzwand
Für das unten gezeigte Beispiel einer im Fuß frei aufgelagerten und im Kopf einfach rückverankerten Schlitzwand wird im nachfolgenden Video gezeigt, wie mit dem Programm GGU-RETAIN notwendige Material- und geotechnische Nachweise geführt werden können.
8. Berechnungsbeispiel, Video: Innere und Äußere Standsicherheit der suspensionsgefüllten Schlitzwandlamelle
Für das unten gezeigte Beispiel wird im nachfolgenden Video gezeigt, wie mit dem Programm GGU-TRENCH die innere und äußere Standsicherheit einer suspensionsgefüllten Schlitzwandlamelle nachgewiesen werden kann.
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