Grundwasserabsenkung

Wird eine Baugrube im Grundwasser führenden Baugrund hergestellt, so füllt sie sich mit Wasser. Es wird sich nach einiger Zeit der freie Grundwasserspiegel einstellen. Um eine trockene Baugrube zu erhalten, kann durch stetiges Abpumpen mit Hilfe einer Wasserhaltung der Wasserspiegel des zufließenden Wassers abgesenkt werden.

In Abhängigkeit von der Durchlässigkeit des anstehenden Erdreichs stellt sich bei einer Wasserhaltung ein unterschiedlich starkes Gefälle zwischen abgesenktem und ursprünglichem Grundwasserstand ein. Besitzt der anstehende Boden ein großes Porenvolumen, so ist der Strömungswiderstand klein und es bildet sich ein sehr flaches Gefälle aus. Bei kleinen Porenvolumen ist der Strömungswiderstand und damit auch das Gefälle größer. In Abhängigkeit der Durchlässigkeiten müssen geeignete Verfahren für die Wasserhaltung gewählt werden.

Offene Wasserhaltung

Die offene Wasserhaltung stellt das einfachste Verfahren dar.  Das in der Baugrube anfallende Grundwasser wird bei der offenen Wasserhaltung (mit evtl. anfallendem Regenwasser) gesammelt und abgepumpt.

Das Stützfiltermaterial muss auf den anstehenden Boden abgestimmt sein, um einen Materialtransport zu verhindern. DIN 4095 fordert zu diesem Zweck die Anwendung der Filterregel nach Terzaghi mit „D“ als Korndurchmesser des Filtermaterials und „d“ als Korndurchmesser des abzufilternden Materials:

Schwerkraftentwässerung

Bei der Schwerkraftentwässerung fließt das Wasser aufgrund seiner Schwerkraft bedingt durch die Wasserspiegelhöhendifferenz dem Brunnen zu. Das hydraulische Gefälle entsteht nur durch die Schwerkraft.

Je nach Baugrundverhältnissen wird in vollkommene und unvollkommene Brunnen unterschieden. Vollkommene Brunnen werden nur horizontal vom Wasser angeströmt, da sie in eine wasserundurchlässige Schicht einbinden. Unvollkommene Brunnen enden in einer ebenfalls wasserführenden Bodenschicht. Ein zusätzlicher Wasserzufluss von unten muss bei der Bemessung mit berücksichtigt werden.

Flachbrunnen

Mit Flachbrunnen (z.B. Kreiselpumpen mit einer Saughöhe von maximal 8 m) kann in Abhängigkeit von den Baugrubendimensionen der Wasserspiegel unterhalb der Baugrubensohle nur um ein geringes Maß abgesenkt werden. Reicht dies zu Trockenlegung der Baugrube nicht aus, so können Wasserhaltungsanlagen in der Tiefe gestaffelt ausgebildet werden. Aufgrund der Bermen für jede Staffel werden die Baugruben sehr groß.

Tiefbrunnen

Bei Tiefbrunnenanlagen wird in jeden Brunnen eine elektrisch betriebene Pumpe eingebaut, die das Wasser an die Oberfläche drückt und nicht an die Oberfläche saugt. Die Förderhöhe ist damit nicht begrenzt, eine beliebige Absenktiefe wird möglich.

Die Tiefbrunnen werden bis zur benötigten Tiefe zzgl. der Konstruktionshöhe der Pumpen hergestellt. Auf dem Sumpfrohr sitzt ein mit Schlitzen versehenes Filterrohr und darüber das Aufsatzrohr. Das Filterrohr wird von Filtermaterial umgeben, um einen Materialtransport aus dem anstehenden Boden zu vermeiden. Das Filtermaterial ist wiederum nach der Filterregel nach Terzaghi zu bestimmen.

Vakuumentwässerung

Bei Bodenarten, bei denen die Schwerkraft nicht ausreicht, damit das Wasser dem Brunnen zufließt, muss mit Hilfe einer Unterdruckanlage das Wasser zum Brunnen gesaugt werden. Dafür muss ein Vakuum aufgebaut werden, das auf den anstehenden Boden übertragen wird. Das durch Adhäsion an den feinen Körnern gehaltene Wasser wird durch das aufgebrachte Druckgefälle zum Fließen gebracht. Nur der Teil des Vakuums kann dabei jedoch auf den Boden übertragen werden, der nicht das Wasser an die Oberfläche hebt. Zur Verfügung stehen Spülfilteranlagen, die von nur einer Saugleitung den Unterdruck erhalten, und Vakuumtiefbrunnen, die mit Hilfe eines Vakuums das Wasser zum Brunnen ziehen und mit einer weiteren Tauchpumpe das Wasser an die Oberfläche heben.

Spülfilteranlagen stellen die einfachste Form einer Unterdruckentwässerung als Flachbrunnen dar. Das Filterrohr der Anlage dient gleichzeitig als Saugrohr und ist direkt mit der Saugleitung verbunden. Wegen kleiner Absenktrichter bei solch einer Unterdruckanlage sind die Spüllanzen in einem Abstand von 1 m bis 2 m anzuordnen. Die geförderten Wassermengen sind klein.

Vakuumtiefbrunnen werden eingesetzt, wenn begrenzte Platzverhältnisse den Einsatz von Staffelanlagen nicht erlauben. Das Wasser wird mit einem Vakuum zum Brunnen gezogen und mit einer weiteren Tauchpumpe an die Oberfläche gehoben.

Entwässerung durch Elektroosmose

Beim Elektro-Osmose-Verfahren wird ein elektrisches Potentialgefälle genutzt, um Wasser zum kathodischen Brunnen zu leiten und es dann abzupumpen.

Dieses Verfahren wird bei Böden angewendet werden, die einen Durchlässigkeitsbeiwert von k = 10-7m/s und kleiner besitzen und bei denen die anderen Entwässerungsmethoden versagen.

Das Wasser wandert aufgrund des elektrischen Potentialgefälles von der Anode zur Kathode. Die so gesammelten Wassermengen sind sehr klein. Als Anode werden „normale“ Stahlprofile verwendet, die Vakuumbrunnen selbst werden als Kathode ausgebildet, indem am Rand der Brunnen Stahlprofile angeordnet werden. Dieses Verfahren ist sehr teuer und wird sehr selten angewendet.

Zufluss zu einem rotationssymmetrischen Einzelbrunnen

Bei der Wasserentnahme aus einem Brunnen bildet sich zwischen dem Wasserstand im Brunnen und dem ursprünglichen Grundwasserspiegel ein Gefälle aus. Das Grundwasser fließt dem Brunnen trichterförmig (rotationssymmetrisch) zu.

Der Wasserzufluss zu einem vollkommenen rotationssymmetrischen Brunnen wird berechnet mit:

Fassungsvermögen eines rotationssymmetrischen Einzelbrunnens

Nach Sichardt wird als Fassungsvermögen des Brunnens die Wassermenge bezeichnet, die ein Brunnen je Zeiteinheit in der Lage ist, durch seine Filterfläche unter der Voraussetzung aufzunehmen, dass am Mantel des Brunnens das im Boden größtmögliche Gefälle iO auftritt. Sichardt stellt einen Zusammenhang zwischen maximalem Gefälle am Mantel iO und dem k-Wert her. Damit wird das maximale Fassungsvermögen eines Einzelbrunnens berechnet zu:

Vergleich Fassungsvermögen und Zulauf

Die Gleichungen für die Zuflussmenge und für das Fassungsvermögen sind eine Funktion der Höhe h der benetzten Filterfläche. So ist das Fassungsvermögen linear und die Zulflußmenge parabolisch von dieser Höhe h abhängig. Mit der ermittelten Wassermenge Q, die dem Brunnen zufließt, muss nun noch überprüft werden, ob das Fassungsvermögen Q‘ des Brunnens ausreicht, um diese Wassermenge aufzunehmen.

Bei jeder Berechnung muss also nachgewiesen werden, dass das Fassungsvermögen gleich ist oder größer als der Zufluss zu dem Brunnen.

 

Reichweite eines Brunnens

Sichardt stellt eine bekannte Näherungsformel für die Bestimmung der Reichweite auf, die nicht dimensionstreu ist:

Weitere Gleichungen zur Berechnung der Reichweite werden u.a. von Kussakin und Weyrauch vorgestellt. Bei kleinen k-Werten mit einer geringen Absenkung und großen Baugruben ist nach Weber der Einfluss von dem Ersatzradius A (siehe unten) zu berücksichtigen:

Berechnung von Mehrbrunnenanlagen

Für die Wasserhaltung an einer Baugrube werden Mehrbrunnenanlagen eingesetzt, um sie für die Bauzeit trocken zu halten. Exemplarisch zeigt das folgende Bild die Anordnung von Brunnen entlang der Baugrubenberandung.

Für die Berechnung der Grunwasserhaltungsanlage wird aus der Fläche B X L, die die angeordneten Brunnen bilden, ein flächengleicher Ersatzradius gebildet, A. Dieser Ersatzradius A stellt den Radius eines Ersatzbrunnens mit der Gesamtkapazität sämtlicher Einzelbrunnen der betrachteten Mehrbrunnenanlage dar. Damit kann der Zulauf zu einem vollkommenen Ersatzbrunnen mit der folgenden Gleichung beschrieben werden:

Den Verlauf der Spiegellinie eines freien Wasserspiegels erhält man mit Hilfe der Mehrbrunnenformel nach Forchheimer für vollkommene Brunnen. Nach Umstellung der Gleichung zur Berechnung des Gesamtzuflusses zu sämtlichen Einzelbrunnen einer Mehrbrunnenanlage für n Einzelbrunnen mit einer bekannten Gesamtzuflussmenge Q mit

x1, x2, ..., xn :   Abstände der einzelnen Brunnen von einem beliebigen Punkt

kann in einem beliebigen Punkt P die Spiegellinienordinate „y“ unter Berücksichtigung der Wirkung aller Einzelbrunnen in deren Abständen xi zum untersuchten Punkt P ermittelt werden:

Allgemeine Vorgehensweise bei der Bemessung einer Mehrbrunnenanlage

1. Ermittlung die für die Absenkung erforderliche Entnahmewassermenge

  • Festlegung des Absenkziels s und der Brunnentiefe auf Grundlage der Randbedingungen. Die Brunnentiefe definiert zugleich die erfasste Höhe des nicht abgesenkten Grundwassers H
  • Ermittlung des Ersatzradius
  • Abschätzen der Reichweite R und der zum Erreichen des Absenkziels erforderlichen Entnahmewassermenge Q
  • Wahl der Brunnenanzahl n und Festlegung der Brunnenanordnung
  • Überprüfen des Absenkziels in den ungünstigsten Punkten. Sollte das Absenkziel nicht erreicht werden, muss entweder die Brunnenanordnung oder –zahl angepasst oder die Entnahmewassermenge erhöht werden.

2. Dimensionierung der Brunnen

  • Absenkung des Brunnens mit der größten Absenkung ermitteln
  • Brunnenradius wählen
  • Überprüfen, ob das Fassungsvermögen q‘ der Einzelbrunnen ausreicht, um die ermittelte Wassermenge Q zu fördern.

Für die dargestellte Baugrube (GOK: 37,4 m NHN) soll eine Grundwasserabsenkung mit dem Programm GGU-DRAWDOWN berechnet werden. Das Grundwasser steht bei 35,4 m NHN. Gemäß den nachfolgnden Skizzen handelt es sich dabei um eine Baugrube mit den Abmessungen a / b = 20 m / 12 m. Die Grundwasserabsenkung soll s = 6,5 m betragen. Die Brunnen mit einem Radius von r = 0,2 m werden in einem Abstand von 1,0 vom Baugrubenrand angeordnet. Für die Strecke H (= GW bis UK Filter) wird 12 m angesetzt. Die Durchlässigkeit des Bodens wird mit kf = 1 × 10-4 m/s gegeben.

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