Regenwasserversickerung

1. Regenwasserversickerung

Regenwasser von versiegelten Flächen – u.a. Dach-, Hof-, Frei- und Stellplatzflächen - kann mit Hilfe von dezentralen Versickerungsanlagen im Boden versickert werden. Dies entlastet öffentliche Abwasserkanäle und führt das gefasste Regenwasser einer Grundwasserneubildung zu. 

Die Planung und Bemessung von Versickerungsanlagen werden im Arbeitsblatt DWA-A 138 „Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagwasser“ der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) geregelt. 

2. Voraussetzungen für die Regenwasserversickerung

Die DWA-A 138 nennt Kriterien zur Ersteinschätzung für die Möglichkeit der Regenwasserversickerung:

  • Grundwasserflurabstand 

Der Abstand der Sohle der Versickerungsanlage zum mittleren höchsten Grundwasserstand (MHGW) sollte ≥ 1 m sein. Zur Festlegung des Grundwasserflurabstands sind evtl. qualifizierte Untersuchungen notwendig.

  • Bodenbelastungen 

Bodenbelastungen, wie z. B. Altablagerungen, können zum Ausschluss oder zu spezifischen Anforderungen an die bauliche Ausführung der Versickerungsanlage führen. Von Altlasten ist ein horizontaler Mindestabstand einzuhalten, der in Abhängigkeit der Hydrogeologie im Einzelfall festzulegen ist. Eine Mobilisierung der Altlasten durch eine Regenwasserversickerung ist auszuschließen.

  • Wasserschutzgebiet 

In den Zonen I und II der Wasserschutzgebiete ist eine Regenwasserversickerung in der Regel nicht gestattet. Hinweise in der DVGW W 101 „Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete – I. Teil: Schutzgebiete für Grundwasser“ und die „Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wasserschutzgebieten“ (RiStWag) sind zu beachten.

  • Untergrundbeschaffenheit

Für die entwässerungstechnische Versickerung liegt der kf -Wert in der Regel zwischen 1·10–3 m/s und 1·10–6 m/s. Bei k f -Werten kleiner als 1·10–6 m/s ist eine Entwässerung ausschließlich durch Versickerung mit zeitweiliger Speicherung nicht von vornherein gewährleistet, sodass gegebenenfalls eine ergänzende Ableitungsmöglichkeit vorzusehen ist. Eine Versickerung bei kf -Werten größer als 1·10–3 m/s ist auch möglich, jedoch muss das Erfordernis zusätzlicher Maßnahmen zum Stoffrückhalt geprüft werden.

  • Umfeld 

Es sind Mindestabstände von den Versickerungsanlagen zu Gebäuden einzuhalten, wobei die Art und die Tiefe der Unterkellerung und die Lage der Grundwasseroberfläche zu berücksichtigen sind. Dabei ist besonders auf wenig durchlässig bis wasserstauende Schichten oberhalb oder unmittelbar unterhalb der Kellersohle zu achten. Bei Gebäuden ohne wasserdruckhaltende Abdichtung sollten Versickerungsanlagen grundsätzlich nicht in Verfüllungsbereichen in Gebäudenähe angeordnet werden. 

Gemäß DWA-A 138 sollte der Abstand der Versickerungsanlage bei Gebäuden ohne wasserdruckhaltende Abdichtung vom Baugrubenfußpunkt das 1,5-Fache der Baugrubentiefe nicht unterschreiten. Ein Abstand von mindestens 0,50 m von der Böschungsoberkante zur Versickerungsanlage stellt zusätzlich sicher, dass das Sickerwasser nicht direkt in den Verfüllungsbereich der Baugrube gelangt.

Bei Gebäuden mit wasserdruckhaltender Abdichtung ist der Abstand einer Versickerungsanlage zum Gebäude unkritisch, solange bautechnische Grundsätze (z. B.  Lastabtragsbereiche) beachtet werden. Der Standort der Versickerungsanlage sollt nicht in der Nähe eines Hangs liegen. Liegt sin dennoch in der Nähe eines Hangs, ist nachzuweisen, dass eine Hangrutschung oder Wasseraustritt aus dem Hang nicht zu erwarten sind. 

3. Arten der Regenwasserversickerung

In der DWA-A 138 werden zahlreiche Methoden zur Regenwasserversickerung aufgezeigt und deren Bemessung vorgestellt. Auch detaillierte Anforderungen an die Versickerungssysteme werden benannt. Kombinationen von Einzelsystemen sind möglich. 

1) Flächenversickerung

Bei der Flächenversickerung wird das anfallende Niederschlagswasser direkt ohne Zwischenspeicherung auf ebenen Flächen – z.B. benachbarte Rasen- oder Pflanzenflächen - versickert. 

2) Versickerungsbecken

Versickerungsbecken sind zentrale Versickerungsanlagen. Gesammelte Oberflächenabflüsse werden im Becken kurzzeitig gespeichert und über eine flächig bewachsene Bodenzone aus einer Kies-Sandschicht versickert. Versickerungsbecken haben eine sehr gute Retentionswirkung, weshalb sie sich anbieten, wenn entsprechend große Flächen zur Verfügung stehen, z.B. an Autobahnen, Gewerbegebieten oder öffentlichen Parks.   

In der Regel sind Durchlässigkeitsbeiwerte von kf  ≥ 1 · 10-5  m/s vorauszusetzen. Versickerungsbecken haben in der Regel Einstauhöhen von hB  ≥ 0,5 m. 

3) Muldenversickerung

Über eine Vertiefung in einer Rasen- oder Pflanzenfläche wird das Regenwasser gesammelt und verzögert in den Boden abgeleitet. Die Einstauhöhe ist auf 30 cm begrenzt.

 

4) Rigolen- und Rohr-Rigolenversickerung

Bei der Rigolenversickerung wird Regenwasser in einen unterirdischen Speicher geleitet und dort in den Boden versickert. Der Speicher besteht aus grobkörnigem Material oder auch durchlässigen Kunststoffelementen, in denen das Regenwasser zwischengespeichert wird. Bei der Rohr-Rigolenversickerung erfolgt die Regenwasserzuleitung unterirdisch in einem Kies oder einem anderen grobkörnigen Material gebetteten perforierten Rohrstrang, vgl. nachfolgendes Bild.

 

5) Schachtversickerung

Bei der Schachtversickerung wird das Regenwasser über die Schachtsohle und gelochte Schachtringe – aus Beton oder Kunststoff – in dem Boden versickert. Schmutzstoffe lagern sich am Boden des Schachts ab, können dort entfernt werden. Fällt das Regenereigniss stark aus, wird das Regenwasser im Schacht zwischengespeichert.   

Grundsätzlich sind zwei Bauarten zu unterscheiden. Beim Schacht Typ A haben die Schachtringe seitliche Durchtrittsöffnungen. Eine zusätzliche Reinigungswirkung im Schacht Typ A ist nicht gegeben. Beim Schacht Typ B liegen die seitlichen Durchtrittsöffnungen ausschließlich unterhalb einer Filterschicht des Sohlenbereichs. Die Entleerung des Speichervolumens im Schacht erfolgt vollständig über Durchsickerung der Filterschicht. Damit ist eine zusätzliche Reinigungswirkung im Schacht Typ B gegeben. Als Material für diese Filterschicht ist carbonathaltiger Sand mit einer Körnung von 0 mm bis 4 mm zu verwenden. Ein Durchlässigkeitsbeiwert von kf  ≤ 1 · 1–3  m/s muss für die Filterschicht gewährleistet sein.

 

6) Mulden-Rigole-Versickerung

Mulden-Rigolen-Elemente sind Versickerungsanlagen, die aus einer Versickerungsmulde und einer darunter liegenden Rigole mit jeweils eigenen Füll- und Entleerungsprozessen bestehen. Durch den in der Regel spezifisch großen ober- und unterirdischen Speicherraum (Versickerungsmulde und Rigole) sind Mulden-Rigolen-Elemente auch bei geringen Durchlässigkeitsbeiwerten des anstehenden Bodens oder geringem Platzangebot einsetzbar.

 

7) Mulden-Rohrrigole-Versickerung

Mulden-Rohrrigolen-Elemente sind Versickerungsanlagen, die aus einer Versickerungsmulde und einer darunter liegenden Rohrigole mit jeweils eigenen Füll- und Entleerungsprozessen bestehen. Durch den in der Regel spezifisch großen ober- und unterirdischen Speicherraum (Versickerungsmulde und Rohrrigole) sind Mulden-Rohrigolen-Elemente auch bei geringen Durchlässigkeitsbeiwerten des anstehenden Bodens oder geringem Platzangebot einsetzbar.

 

8) Weitere Versickerungsanlagen

Weitere Versickerungsanlagen als Kombination von Pflaster mit Mulden-, Rigolen- bzw. Roh-Rigolen werden im Folgenden dargestellt, wobei Hinweise zur konstruktiven Ausbildung entsprechender Systeme dem Merkblatt für wasserdurchlässige Befestigungen von Verkehrsflächen, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Ausgabe 1998 zu entnehmen sind:

Pflaster mit Mulde

Pflaster mit Rigole

Pflaster mit Rohrigole

4. Berechnung der Zuflüsse zu Versickerungsanlagen

Die Ermittlung der maßgeblichen Dauerstufe D und der Regenspende rD(n) erfolgt bei Versickerungsanlagen mit Speicherfunktion iterativ. In DWA-A 138 werden zur Ermittlung der Regenspenden die Tabellen im KOSTRA-Atlas ("Starkniederschlagshöhen für Deutschland - KOSTRA", erhältlich über den Deutschen Wetterdienst) oder ggf. ortsspezifische Niederschlag-Starkregenauswertungen gemäß ATV-A 121 (erhältlich über örtliche Behörden) verwendet. Diese Tabellen enthalten Niederschlagshöhen und Niederschlagsspenden für unterschiedliche Regendauern und Wiederkehrzeiten (Häufigkeiten).  

Wenn die Berechnung der Regenspenden mit Tabellenwerten durchgeführt werden, werden die ortsspezifischen Rasterdaten benötigt. Diese Rasterdaten zu Niederschlagshöhen und -spenden in Abhängigkeit von der Niederschlagsdauer D und der Jährlichkeit Tn werden auf dem CDC-FTP-Server des DWD zum Download zur Verfügung gestellt.

Weiterführende Informationen finden sie auf der Seite des deutschen Wetterdienstes 

(Hinweis: Ab der Hauptversion 11 von GGU-SEEP sind die Daten des KOSTRA-Atlas 2010R und 2020 für beliebige Standorte direkt im Programm abrufbar, Tabellenwerte brauchen nicht eingelesen zu werden.) 

Nach DWA-A 138 wird bei der Ermittlung des erforderlichen Speichervolumens ein Zuschlagsfaktor zwischen 1,1 und 1,2 empfohlen, um je nach Risikomaß einer möglichen Unterbemessung vorzubeugen.

Im Arbeitsblatt DWA-A 138 wird für dezentrale Versickerungsanlagen eine Häufigkeit des Regenereignisses von n = 0,2/a (= 1-mal in 5 Jahren) als allgemein üblicher Ansatz beschrieben. Bei zentralen Versickerungsanlagen sollte i. d. R. eine Häufigkeit von n = 0,1/a (= 1-mal in 10 Jahren) zugrunde gelegt werden.

5. Bemessung von Regenwasserversickerungsanlagen

Die den Berechnungen zugrunde liegenden Gleichungen für die Bemessung von den o.g. Regenversickerungsanlagen werden in der DWA-A 138 gegeben und hier nicht weiter ausgeführt.

Das Programm GGU-SEEP bietet die Berechnung der o.g. Versickerungsanlagen: 

  • Flächenversickerung,
  • Muldenversickerung, 
  • Rohrrigolenversickerung, 
  • Rigolenversickerung,  
  • Schachtversickerung (verschiedene Schachttypen wählbar), 
  • Mulden-Rohrrigolen-Versickerung, 
  • Mulden-Rigolen-Versickerung, 
  • Pflaster (Flächenversickerung) mit Mulde, 
  • Pflaster (Flächenversickerung) mit Rigole, 
  • Pflaster (Flächenversickerung) mit Rohrrigole, 

wobei im nachfolgenden Video exemplarisch eine Berechnung für eine Rohrrigole für die genannten Systemdaten berechnet wird.

Aus dem KOSTRA-Atlas sollen die ortsspezifischen Rasterdaten für Berlin-Mitte zugrunde gelegt werden.   

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